“Willkommen in den Kerkern des Lukaschenko” – Belarusisches Theater in Zürich
Das Leben der politischen Gefangenen zwischen Ohnmacht, Widerstand und einem festlichen Suppentopf. Ein kleiner Bericht zur theatralischen Inszenierung von Maxim Znaks Buch "Zekamerone".

Maria Vetsch
Mitglied bei LIBERECO Schweiz

Eintreten aus der bereits heissen Frühlingssonne in ein dunkles Kellergewölbe. Die Bühne bestückt durch zwei doppelstöckige Pritschen und einen winzigen Tisch. Bevor es losgeht erfrischen wir uns an der Bar und gehen raus an die Sonne und Wärme.
Ganz anders für die drei Protagonisten des Stücks, die sich eine mickrige, kalte Zelle teilen. Aussenwelt manifestiert sich einzig in ein paar Befehlen und markigen Kommentaren der unsichtbaren Wärter. Erkennbar nur in den beim Klappgeräusch sofort aufmerksam gerichteten Blicken der drei, dem sofortigen Verstummen der Gespräche. Und in einem Suppentopf, überschwänglich gelobt, weil da tatsächlich ein bisschen Gemüse drin schwimmt und eine “noch gut erkennbare Erinnerung an Fleisch”. Ein unerwartetes Festessen offenbar.
Willkommen in den Kerkern des Lukaschenko. Die drei Männer lassen uns teilhaben am ungewissen und ohnmächtigen Warten, an ihren Überlebensstrategien, dem Pendeln zwischen Widerstand, Auflehnung und Erdulden, dem Anschwellen von Sehnsüchten im gemeinsamen Phantasieren, was ihnen von St. Nikolaus zuteil werden könnte und der Frage, was eigentlich mit ihren Briefen passiert, die nie die Adressaten erreichen. Ob die besonders gut geschriebenen wohl in einem Poesiealbum des Zensors aufgehoben werden und hie und da am Kaminfeuer zu erbaulichem Genuss hervorgeholt werden?
Ich selbst konnte nicht alles verstehen, was da gesprochen und gesungen wurde. Das Stück wird belarusisch (Gefangene) und russisch (Wärter) gespielt, mit englischem Fliesstext.
Aber ich habe genug verstanden:
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Egal, aus welchem Grund du in so einem Verlies sitzt – und viele sitzen da wie der Autor des Stücks, weil sie die Demokratiebewegung unterstützt haben – der Kampf darum, den Verstand nicht zu verlieren, nicht durchzudrehen, depressiv zu verstummen oder sich auf andere Weise dem Druck der Auslöschung zu ergeben, ist heroisch. Ich verneige mich tief vor dir, lieber Bruder, liebe Schwester in den Kerkern von Belarus. Und ja, auch: Ich verneige mich vor dem belarusischen Volk, das mit solch unmenschlichen Methoden daran gehindert werden soll, sich für seine Selbstbestimmung einzusetzen.
Das unabhängige Theaterprojekt Volnyja Kupalaucy ist ein Symbol der belarusischen Widerstandsbewegung. Ihre Schauspieler*innen waren einst am renommierten Janka-Kupala-Theater in Minsk angestellt. 2020 verliessen sie aus Protest gegen die gewaltsame Niederschlagung der Massenproteste gegen das Regime die staatliche Bühne und gründeten im Exil ein neues Ensemble.
Gespielt wurde eine Inszenierung von Maxim Znaks «Zekamerone». Das Werk über den Alltag für politische Gefangene schrieb Znak in der Strafkolonie. Sein Buch handelt von der paradoxen Fähigkeit, in Gefangenschaft frei zu bleiben und seine Menschlichkeit zu bewahren. Eine deutsche Leseprobe gibt es hier.
Das sehr gut besuchte Theater fand am 31. Mai 2025 im Theater Stok in Zürich statt. Organisiert wurde das Theater von RAZAM.ch und LIBERECO Schweiz. Alle Einnahmen gingen an die Theatergruppe.